Samstag, 3. September 2011

Arbeit, Streik und Schokokuchen

Heute sind es also schon drei Wochen, die ich hier bin in Chile. Die Zeit, die fliegt.

In dieser Woche sind wir also unseren Arbeitsplan angetreten und wie versprochen wollte ich euch ja gerne erzählen, was das für mich bedeutet.

Zwanzig Kinder in einem Kleinbus
Kindertagesstätte "Huellitas"
Jardín Infantil "Huellitas": Die Kindertagesstätte am Rand der Stadt zur Auffahrt nach Alto Hospicio beherbergt ca. 60 Kinder im Alter zwischen 6 Monaten und 6 Jahren. Was mache ich hier? Ich gebe Sportunterricht, oder so was änliches, für die beiden zweitältesten Gruppen, also 4 - 5 Jahre und 5 - 6 Jahren. Ich habe so was vorher nie gemacht, Spiele mit Kinder eines solchen Alters zu machen. Die ersten Pläne, die also erstellt habe, konnte ich getrost verwerfen. Auch wenn ich einen negativen Eindruck hatte, was meine Methoden angeht, so konnte ich aber fest stellen, dass die Kinder trotzdem sehr viel Spaß daran hatten. Tío Lukas hat sich sich also schon mal einen Namen gemacht! Was ich aber von den tías erfahren habe ist, dass Peter - mein Vorgänger - auch seine Probleme hatte und bald seinen eigenen Rhytmus mit andere Methoden gefunden hat. Ich werde es also demnächst mit einem Parkour aus Tischen und Stühlen versuchen und mit Ballwerfen auf ein Ziel. Drei Stunden habe ich schon gegeben, wenn sich also für die kommenden Wochen nichts daran verändern wird, dann kann ich das bald gut umsetzen. Hier arbeite ich drei Tage in der Woche.

Die blaue camioneta mit Juan
Oficina: Im Hauptbüro der Fundación, das genau neben unserem Haus liegt, wird alles verarbeitet: Finanzen, Papiere, Spenden. Mein Aufgabenfeld ist eigentlich alles. In der Oficina habe ich Spenden sortiert und eingeräumt, also Milch, Öl, Süßigekeiten, Shampoo. Desweiteren habe ich mit Juan mit der camioneta gearbeitet. Der kleine blaue Lastwagen wird zum Transport von eigentlich allem benutzt, was für die Einrichtungen gut ist. Dann wird auch schon mal eine tía nach Alto Hospicio gebracht oder Handpuppen nach Jorge Instroza gebracht. Letzenendes baue ich zusammen mit Jaime die neue Website der Fundación auf, bis jetzt gab es nur eine auf deutsch. Eine für Chile folgt jetzt in den nächsten Wochen, mit neuen Texten auf Deutsch und Spanisch, Bildern der Einrichtungen und Mitarbeiter und ausführlichen Nachrichten rund um die Kinder auf dem Pfad. Hier arbeite ich zwei Tage in der Woche.

Das gelbe Haus "Mi refugio"
Centro Comunitario "Mi refugio": Das offene Zentrum im Stadtviertel Jorge Inostroza im Norden der Stadt ist jeden Nachmittag für Kinder jeden Alters offen. Hier wird im Grunde genommen alles gemacht. Hier übt die Trommelgruppe, hier kochen die Mädchen, hier finden sie Zuflucht wie es im Namen steht. Das Zentrum ist sehr wichtig für das Stadtviertel, da es hier Drogenhandel und Gewalt gibt. Die Arbeitslosigkeit ist im Vergleich zu restlichen Stadt sehr hoch. Häusliche Gewalt ist den Kindern nicht unbekannt, auch der Drogenkonsum der eigenen Eltern nicht. Was aber nicht heißen soll, dass die offenen Türen von ständig weinenden Kindern eingelaufen werden. Die Jungen und Mädchen die hier kommen sind glücklich, denn hier können sie auch mal abschalten. Lisa und ich werden in der Zukunft Sportunterricht geben, einen Lehrer gibt es zwar, der ist aber nicht immer da, das er auch nur ehrenamtlich hier arbeitet. In naher Zukunft werden wir dann auch noch Englischunterricht und eigene Workshops anbieten. Ich arbeite hier jeden zweiten Nachmittag.

Protestzug vor der Tür
Die Arbeit ist die eine Sache, die Freizeit eine Andere:
In Chile wird zur Zeit wegen der schlechten Zustände im Bildungswesen gestreikt. Das hat inzwischen so große Ausmaße genommen, dass Angestellte des Staats und aller Transportmittel sich an den Streiks von Schülern und Studenten partizipieren. Einige friedlichen Proteste haben sich zu richtigen Gewaltausschreitungen entwickelt. In Santiago war die Hölle los, dort liegen einige Straßen in Schutt und Asche. Dort musste sogar teilweise das Militär einschreiten, erfolgslos, da auch Randalieren mit machen, die nur Mist machen wollen. Das hat mit Streiks wenig zu tun. Auch in Iquique haben Schüler und Studenten gestreikt und sind von Alto Hospicio über die Fernstraße ins Zentrum von Iquique gelaufen, und sind dabei sogar an unserem Haus vorbeigelaufen. Hier waren die Proteste friedlich.
Die Streiks gingen über zwei Tage. Einen davon wollten wir nutzen - die Köchinnen der Kindertagesstätten sind Angestellte des Staats - um nach Pica zu fahren, einer Stadt die südlich von hier liegt. Hermano musste als Geistlicher dort hin, Lisa und ich wollten die warmen Quellen und Thermalbäder nutzen und auch um mal wieder warm duschen zu können. Daraus wurde nichts, da Fernfahrer die Fernstraßen blockierten und uns somit der Weg über die PanAmericana nicht offen war.

Unsere Abende während der Woche sehen meistens so aus: Spanisch lernen, Essen, Nachrichten schauen, und Canasta spielen mit den Bewohner unseres Hauses und das meistens bis spät in die Nacht. Mehr ist nicht drin, denn Abends ist man ziemlich fertig, weil man immer wieder neuen Herausforderungen entgegen gestellt wird. Am Wochenende werden wir meistens von den tías eingeladen, wie letzten Sonntag zum Beispiel. Mit Nicole verabredeten wir uns zum Frühstücken auf der Playa Cavancha. Obwohl Winter ist, war es ziemlich warm und die Sonne gab ihr bestes. Das war schön, denn man konnte mal wieder abschalten, hatte nur die Wellen und das weite Meer vor sich.
Überhaupt ist man mit uns sehr gastfreundlich. Einmal werden wir von einem ehemaligen Bewohner des Jungenheims zu sich in seine Wohnung eingeladen, ein anderes Mal dürfen zu einer Familienfeier mit.
Das Haus haben in den letzten Wochen Hermano und eine Freundin von ihm, die Jutta, verlassen. Hermano ist für eine Sitzung als Geistlicher nach Santiago gefahren, Jutta ist nach Hause nach Österreich gefahren, das gute Rezept für den Schokokuchen hat sie uns hier gelassen. Wir sind also zu viert zur Zeit im Haus und auf uns allein gestellt. Das Wochende ruft!

Und noch ein paar Kleinigkeiten die mir in diesen Wochen eingefallen sind: Alarmanlagen hat jedes Auto und die hören sich so an. Einen ganzen Chor davon, haben wir hören können, als ein Helikopter tief über die Stadt flog.
Gleich neben dem Haus findet das Samstags- und Sonntags stattfindende Bingo statt. Die Ausrufe der Zahlen hören wir bis ins Haus.
Außerdem denken alle, das wir englisch sprechen, was wir aber nicht tun.
Und ein Terremoto beim Kanasta bringt 2000 Punkte.

Und außerdem: Ich habe schon zwei mal das erste Mal meine Wäsche gewaschen und gebügelt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen