Dienstag, 20. September 2011

Pica und Días Patrias

In diesen Tagen wurden in Chile die Días Patrias gefeiert, die Unabhängigkeitsfeierlichkeiten. Außerdem haben wir zum ersten Mal Iquique und Alto Hospicio großartig verlassen können und haben Pica besucht, eine grüne Oase mitten in der Wüste.

Wie ich schon im letzten Beitrag erwähnt habe, haben Lisa, Hermano und ich einen Ausflug nach Pica geplant. Nach einer circa zweistündigen Fahrt durch die Wüste und einige Dörfer konnte man auf dem Weg über einen ausgetrockneten Salzsee die grüne Stadt schon von weitem erkennen. Jetzt merkt man erst das wir in der Atacamwüste sind, heiße 30°C prasseln auf uns ein, ohne Wasser und richtiger Kleidung sollte man hier nicht das Haus verlassen. Da Iquique ja von den Bergen und dem Meer eingeklemmt ist, ist es hier eher moderat. Vor Ort besuchten wir dann noch eine Gemeinde, dann ging es in einer der warmen Quellen der Stadt, wo wir uns richtig gehen lassen konnten. Auf der Rückfahrt besuchte Hermano noch einen alten Freund, der eine Plantage besitzt und so konnten wir mit kiloweise Zitrusfrüchten den Heimweg über die dunkle Straße zurück nach Iquique antreten. Aber da Bilder ja bekanntlich mehr als tausend Wörter sagen, hier ein paar Impressionen:

Auf dem Weg nach Pica, von hier nur noch 60 km.

Steppe oder Sand, sonst nicht los

vor Pica

in Pica
in den Quellen

Einer von Unzähligen

Orangen

Zitronen

Heimweg
In der Woche merkte man schon - selbst als Ausländer - das in Chile was geht. Die Straßen waren geschmückt, überall der weiße Stern auf blau-weiß-rot, aus den Häusern klingt traditionelle Musik und in den almacen werden frische empanadas verkauft. Die Días Patrías stehen an! Dieses Jahr wird in Chile die zweihundertundeinjährige Unabhängigkeit gefeiert. Eigentlich schade, denn ich hätte gerne die zweihundertjährige Miterlebt, so wie ich gehört habe wurden schon eine Woche vor und nach gefeiert. Aber nichts destotrotz, auch wenn Feliz dieziocho (also der achtzehnte) erst am Sonntag war, war schon Freitag frei und der Montag auch. Und so ging es für uns von einer Feier zur nächsten. Und Essen darf da dann natürlich nicht fehlen: empanadas (in allen möglichen Sorten), mote con huesillos und Fleisch, Fleisch, Fleisch. Und so beendet wir unser Wochenende mit einem Tag am Strand und Drachensteigen.

Die Straße runter

Traditionelle Tänze an der Straßenecke



Fleisch!

Chiletischdecke und Rumikupp zum Verdauen

Fería

Mein Drachen hoch in der Luft

in Konkurenz mit Paraglyerdern

Einer von Unzähligen
Alles in allem war diese Woche eine sehr entspannte Woche für uns alle. Die Arbeit wurde vorerst auf Standby gestellt, auch ich habe heute am Dienstag noch einmal frei, da weder Jaime im Büro, noch Juan mit der camioneta da sind. Bibumm...

Montag, 12. September 2011

Dicke Spenden und kaputte Schlösser

Nachdem wir das Wochenende am Strand verbrachten und etwas Leckeres grillten, kam auch schon der Montag und wir fingen an langsam richtig zu arbeiten. Die Sache ist die, das wir unserem Arbeitsfluss immer näher kommen.

Auf einem Hügel am Strand
So begann am Montag die Arbeit im Kindergarten mit Sport. Ich konnte Peters Tipps wunderbar gebrauchen und der Tisch-und-Stuhl-Parkour als auch das Fallschirmtuch erwiesen sich als perfekte Spiele. Mit diesem guten Gefühl machte ich mich dann zum Mittagessen auf den Heimweg, und das war dann auch schon der Montag. Fußball im refugio fiel nämlich wegen fehlendem Trainer aus.
Nach dem Hügel am Strand
Am Dienstag ging ich dann rüber in die oficina und wurde dann auch direkt von Juan in der camioneta mitgenommen. Wir sind zu einer Schule im Süden gefahren wo wir eine sehr große Spende an Lebensmitteln bekamen. Auf dem Foto, das ich letzte Woche veröffentlicht habe, sieht man wie groß unser Wagen ist. Die komplette Ladefläche war voll! Als wir dann wieder im Büro waren, haben wir alles sortiert: Reis, Zucker, Öl, Nudeln, Bohnen, Linsen und noch mehr. Am selben Tag noch brachten wir die Spenden ins Mädchenheim und nach Jorge Inostroza.
Dicke Spenden
  
Der noch im Bau befindliche Kindergarten in Alto Hospicio
Beim Sortieren habe ich erfahren, dass diese Spenden jeden Monat kommen. Diese Schule hat wirklich ein Herz für die Fundación, dass das ganze überhaupt jeden Monat funktionieren kann finde ich beeindruckend. Ich kann mich daran erinnern wie wir in der Schule Geld für den One-Cent-Day gesammelt haben. Das bedeutet, einen Cent pro Tag, also einmal 3,65 € für das ganze Jahr. Kaum einer unserer Schüler damals fühlte sich angesprochen auch nur einen Teil dazu zu geben. Nicht das man mich falsch versteht, es gab Spenden aus allen Richtungen, von der Schule, von den Lehrern, auch von anderen Schülern. Nur ich weiß noch wie wütend mich das gemacht hat, die dummen Sprüche über kranke Kinder, vorzüglich aus Afrika. Das man sich wirklich zu schade sein kann tatsächlich 3,65 € zu geben. Ich finde es gut, dass die Menschen sich hier einsetzen wollen und sich angesprochen fühlen. Mit dem Verständnis, dass es nicht deren, sondern unser Problem ist.

Am Nachmittag machten wir uns noch einmal auf den Weg nach Alto Hospicio wo wir das psychologische Zentrum besuchten. Die Direktorin zeigte uns die Einrichtung, wie und wo gearbeitet wird. Außerdem wird gerade an einem Anbau gearbeitet. Hier soll später ein Kindergarten sein. 

Kinder die durch den Schlitz geschmissen werden
Den Mittwochenachmittag waren wir wieder in Jorge Inostroza. Die gebastelten Handpuppen von letzter Woche wurden in ein Theater eingebaut. Mit ein paar Kindern saßen wir dann in einem kleinen Büro und spielten ein paar Stücke. Bis dann auf einmal klar wurde, dass die Tür nicht mehr aufgeht. Das Schloss hat sich verabschiedet, indem es sich einfach nicht mehr bewegt. Ein Entkommen gibt es nicht, da hier die Fenster vergittert sind, so wie überall. Die Wand war glücklicherweise nicht bis obenhin gezogen und so konnten wir die Kinder oben durchschieben. So blieb ich mit der Tía im Zimmer, wir waren einfach zu groß für den Spalt. Uns wurde ein Messer gereicht, mit dem wir das Schloß aufdrehten und kurzer Hand waren wir auch schon draußen. Wir saßen ganze fünf Minuten fest. Das Ding der Woche!

Am Donnerstag verbrachte ich dann den ganzen Tag in der oficina. Jaime und ich arbeiteten weiter an der Website. Wie ich so mit dem Sozialpädagogen von nebenan arbeite stellen wie fest, dass wir beide einen gleichen Musikgeschmak teilen. Und so erfahre ich, dass ein Künstler der Band gepe in Iquique spielt. So machten wir uns am Abend auf den Weg ins Zentrum und hatten ein fünfzehnminütiges Konzert. Schade, dass es so kurz war, den der Typ war echt gut, weil er sich mit Gitarre, Schlagzeug und Gesang - auf einmal - im Grunde genommen selbstständig machte.

Am Freitag besuchte ich die Babykrippe in der Lisa arbeitet. Ich machte ein paar Fotos und das war es dann auch schon. Denn wie wir nach Hause gekommen sind, machten wir Mittagessen und ging ins Bett. Und habe dann den Nachmittag bis knapp 19 Uhr durchgeschlafen. Wir waren echt fertig. Wie wir dann wach geworden sind dauerte es auch nicht mehr lange und Hermano war wieder zu Hause. Schön wieder den Hausherrn im Haus zu haben. Die Runde Kanasta fehlte natürlich nicht! Und der Schlaf auch nicht. Vom Freitag habe ich also nicht viel mitbekommen. Diese Woche hat nicht nur mich richtig ausgelaugt. Und so kam der Samstag und wurden zu einem Geburtstag mitgenommen. Und so kam der Sonntag recht spät, und wurde mit dem Sonntagshochamt beendet.

Das war die letzte Woche. In der kommenden Woche werden wir nach Pica fahren. Ein Oase mitten in der Wüste, was wir aber morgen selbst fest stellen können. Sososo...

Samstag, 3. September 2011

Arbeit, Streik und Schokokuchen

Heute sind es also schon drei Wochen, die ich hier bin in Chile. Die Zeit, die fliegt.

In dieser Woche sind wir also unseren Arbeitsplan angetreten und wie versprochen wollte ich euch ja gerne erzählen, was das für mich bedeutet.

Zwanzig Kinder in einem Kleinbus
Kindertagesstätte "Huellitas"
Jardín Infantil "Huellitas": Die Kindertagesstätte am Rand der Stadt zur Auffahrt nach Alto Hospicio beherbergt ca. 60 Kinder im Alter zwischen 6 Monaten und 6 Jahren. Was mache ich hier? Ich gebe Sportunterricht, oder so was änliches, für die beiden zweitältesten Gruppen, also 4 - 5 Jahre und 5 - 6 Jahren. Ich habe so was vorher nie gemacht, Spiele mit Kinder eines solchen Alters zu machen. Die ersten Pläne, die also erstellt habe, konnte ich getrost verwerfen. Auch wenn ich einen negativen Eindruck hatte, was meine Methoden angeht, so konnte ich aber fest stellen, dass die Kinder trotzdem sehr viel Spaß daran hatten. Tío Lukas hat sich sich also schon mal einen Namen gemacht! Was ich aber von den tías erfahren habe ist, dass Peter - mein Vorgänger - auch seine Probleme hatte und bald seinen eigenen Rhytmus mit andere Methoden gefunden hat. Ich werde es also demnächst mit einem Parkour aus Tischen und Stühlen versuchen und mit Ballwerfen auf ein Ziel. Drei Stunden habe ich schon gegeben, wenn sich also für die kommenden Wochen nichts daran verändern wird, dann kann ich das bald gut umsetzen. Hier arbeite ich drei Tage in der Woche.

Die blaue camioneta mit Juan
Oficina: Im Hauptbüro der Fundación, das genau neben unserem Haus liegt, wird alles verarbeitet: Finanzen, Papiere, Spenden. Mein Aufgabenfeld ist eigentlich alles. In der Oficina habe ich Spenden sortiert und eingeräumt, also Milch, Öl, Süßigekeiten, Shampoo. Desweiteren habe ich mit Juan mit der camioneta gearbeitet. Der kleine blaue Lastwagen wird zum Transport von eigentlich allem benutzt, was für die Einrichtungen gut ist. Dann wird auch schon mal eine tía nach Alto Hospicio gebracht oder Handpuppen nach Jorge Instroza gebracht. Letzenendes baue ich zusammen mit Jaime die neue Website der Fundación auf, bis jetzt gab es nur eine auf deutsch. Eine für Chile folgt jetzt in den nächsten Wochen, mit neuen Texten auf Deutsch und Spanisch, Bildern der Einrichtungen und Mitarbeiter und ausführlichen Nachrichten rund um die Kinder auf dem Pfad. Hier arbeite ich zwei Tage in der Woche.

Das gelbe Haus "Mi refugio"
Centro Comunitario "Mi refugio": Das offene Zentrum im Stadtviertel Jorge Inostroza im Norden der Stadt ist jeden Nachmittag für Kinder jeden Alters offen. Hier wird im Grunde genommen alles gemacht. Hier übt die Trommelgruppe, hier kochen die Mädchen, hier finden sie Zuflucht wie es im Namen steht. Das Zentrum ist sehr wichtig für das Stadtviertel, da es hier Drogenhandel und Gewalt gibt. Die Arbeitslosigkeit ist im Vergleich zu restlichen Stadt sehr hoch. Häusliche Gewalt ist den Kindern nicht unbekannt, auch der Drogenkonsum der eigenen Eltern nicht. Was aber nicht heißen soll, dass die offenen Türen von ständig weinenden Kindern eingelaufen werden. Die Jungen und Mädchen die hier kommen sind glücklich, denn hier können sie auch mal abschalten. Lisa und ich werden in der Zukunft Sportunterricht geben, einen Lehrer gibt es zwar, der ist aber nicht immer da, das er auch nur ehrenamtlich hier arbeitet. In naher Zukunft werden wir dann auch noch Englischunterricht und eigene Workshops anbieten. Ich arbeite hier jeden zweiten Nachmittag.

Protestzug vor der Tür
Die Arbeit ist die eine Sache, die Freizeit eine Andere:
In Chile wird zur Zeit wegen der schlechten Zustände im Bildungswesen gestreikt. Das hat inzwischen so große Ausmaße genommen, dass Angestellte des Staats und aller Transportmittel sich an den Streiks von Schülern und Studenten partizipieren. Einige friedlichen Proteste haben sich zu richtigen Gewaltausschreitungen entwickelt. In Santiago war die Hölle los, dort liegen einige Straßen in Schutt und Asche. Dort musste sogar teilweise das Militär einschreiten, erfolgslos, da auch Randalieren mit machen, die nur Mist machen wollen. Das hat mit Streiks wenig zu tun. Auch in Iquique haben Schüler und Studenten gestreikt und sind von Alto Hospicio über die Fernstraße ins Zentrum von Iquique gelaufen, und sind dabei sogar an unserem Haus vorbeigelaufen. Hier waren die Proteste friedlich.
Die Streiks gingen über zwei Tage. Einen davon wollten wir nutzen - die Köchinnen der Kindertagesstätten sind Angestellte des Staats - um nach Pica zu fahren, einer Stadt die südlich von hier liegt. Hermano musste als Geistlicher dort hin, Lisa und ich wollten die warmen Quellen und Thermalbäder nutzen und auch um mal wieder warm duschen zu können. Daraus wurde nichts, da Fernfahrer die Fernstraßen blockierten und uns somit der Weg über die PanAmericana nicht offen war.

Unsere Abende während der Woche sehen meistens so aus: Spanisch lernen, Essen, Nachrichten schauen, und Canasta spielen mit den Bewohner unseres Hauses und das meistens bis spät in die Nacht. Mehr ist nicht drin, denn Abends ist man ziemlich fertig, weil man immer wieder neuen Herausforderungen entgegen gestellt wird. Am Wochenende werden wir meistens von den tías eingeladen, wie letzten Sonntag zum Beispiel. Mit Nicole verabredeten wir uns zum Frühstücken auf der Playa Cavancha. Obwohl Winter ist, war es ziemlich warm und die Sonne gab ihr bestes. Das war schön, denn man konnte mal wieder abschalten, hatte nur die Wellen und das weite Meer vor sich.
Überhaupt ist man mit uns sehr gastfreundlich. Einmal werden wir von einem ehemaligen Bewohner des Jungenheims zu sich in seine Wohnung eingeladen, ein anderes Mal dürfen zu einer Familienfeier mit.
Das Haus haben in den letzten Wochen Hermano und eine Freundin von ihm, die Jutta, verlassen. Hermano ist für eine Sitzung als Geistlicher nach Santiago gefahren, Jutta ist nach Hause nach Österreich gefahren, das gute Rezept für den Schokokuchen hat sie uns hier gelassen. Wir sind also zu viert zur Zeit im Haus und auf uns allein gestellt. Das Wochende ruft!

Und noch ein paar Kleinigkeiten die mir in diesen Wochen eingefallen sind: Alarmanlagen hat jedes Auto und die hören sich so an. Einen ganzen Chor davon, haben wir hören können, als ein Helikopter tief über die Stadt flog.
Gleich neben dem Haus findet das Samstags- und Sonntags stattfindende Bingo statt. Die Ausrufe der Zahlen hören wir bis ins Haus.
Außerdem denken alle, das wir englisch sprechen, was wir aber nicht tun.
Und ein Terremoto beim Kanasta bringt 2000 Punkte.

Und außerdem: Ich habe schon zwei mal das erste Mal meine Wäsche gewaschen und gebügelt.